In den Diskussionen während der vergangenen Arbeitsgruppentermine hat sich gezeigt, dass ein "allumfassendes" Datenmodell der Wasserwirtschaft nicht möglich ist. Gründe dafür sind:
- Jeder fachliche Anwendungsbereich erfordert spezifisch angepasste Modelle
- Die fachspezifischen Anpassungen sind gegeneinander in ihren Strukturen nicht kompatibel
- Die Vielzahl der Unterbereiche, in die sich wasserwirtschaftliche Daten unterteilen lassen, zeigen, dass das allumfassende Datenmodell auch aus praktischen Gründen nicht möglich ist (siehe angefügte Grafik: Gewaesser_Datenmodell.pdf)
Unabhängig von den Datenstrukturen steht auch dem Aufbau entsprechender Datenbestände entgegen, dass das Skalenproblem eine weitere Differenzierung erzwingt: In jedem Geodatenbestand müssen die verschiedenen Daten in Bezug auf Genauigkeit aufeinander abgestimmt sein. Dieser Aspekt betrifft sowohl die Erfassungsgenauigkeit der Geo-Objekte als auch der Attributdaten. Neben der Genauigkeit von Zahlenwerten spielt hier besonders die Genauigkeit von Referenztabellen eine Rolle. Beispiel: Wie fein werden Bäume unterschieden: (Laubbaum, Nadelholz, Busch) oder erheblich feiner: (Buche, Tanne, Fichte, Pappel, ...)?
Als Ausweg wurde vorgeschlagen:
- Beschränkung auf Datenaustauschformate und entsprechende Strukturen
- Beschränkung auf grundlegende Geodaten und Attribute, so dass individuelle Erweiterungen möglich sind. Damit würde der Datenaustausch zumindest dahingehend vereinfacht, dass "Grundlagendaten" leicht austauschbar wären, während die individuellen Erweiterungen häufig sowieso nicht benötigt werden.
Zu 1.) Die Beschränkung auf Datenaustauschformate behebt das Problem nicht grundsätzlich, sondern nur dann, wenn sie gleichzeitig den Ausweg unter 2.) beinhaltet.
zu 2.) Fraglich bleibt, ob die Unterteilung in Grundlagendaten und erweiterte Daten überhaupt möglich ist, da hierfür ein klares Kriterium benannt werden müsste.
Ein mögliche Beschränkung auf ein "überschaubares" Datenmodell könnte sich daraus ergeben, dass nur Geodaten behandelt werden, die von anderen DWA-Richtlinien betroffen sind und zu denen keine eigenen Datenmodelle erstellt wurden oder werden (z. B. DWA-M 145, Teile 1 ff. "Kanalinformationssysteme").
Das nächste Treffen soll deshalb klären, welche Anwendergruppen genügend groß sind, dass sich eine Standardisierung überhaupt lohnt und welche Anwendergruppen gemeinsame Datenbestände nutzen.
Ein schon seit längerem diskutiertes Themenfeld ist beispielsweise das der abflusswirksamen befestigten und unbefestigten Flächen, die für unterschiedliche Modellarten benötigt werden (hydrologische Gebietsmodelle, hydrologisch/hydrodynamische Kanalnetzmodelle, Schmutzfrachtberechnungen). Auch Geodaten zu Gewässerlinien und -flächen werden von sehr unterschiedlichen Nutzern verwendet.
Kommentar
Benutzer-83004 sagt:
Apr. 16, 2013Folgende Anmerkungen von meiner Seite (ich war nicht bei dem o.g. Treffen):
Zum allumfassendes Datenmodell für die Wasserwirtschaft:
Ich gehe davon aus, dass hiermit ein Modell gemeint ist, welches völlig redundanzfrei und mikroskopisch genau ist und für alle Belange Daten aggregieren kann. Kurz: Das Idealmodell. Auch ich gehe davon aus, dass das zumindest sehr schwierig ist und u.U. nicht praktikabel ist. Ich würde daher einfach mal mit Teilmodellen anfangen und dann sehen, wie man was zusammenfügen kann und wo gemeinsame Nenner sind.
Bei der Abbildung unterschiedlicher Detaillierungsgrade sind wir nicht die ersten: Siehe CityXml mit Verwendung von LODs (Level of Details).
Eine Unterscheidungszwang zwischen Datenmodell und Schnittstelle sehe ich nicht, da das Austauschformat z. B. dank automatischer Serialisierungtechnologie oder Modellierungswerkzeuge m. E. ein Abfallprodukt des Datenmodells ist.
Da man m. E. den Nachweis erbringen sollte "Ja es funktioniert", können wir vermutlich nur mit einem vollständigen Modell arbeiten. Im Bereich der Kanalisation und der Wasserversorgung praktiziere ich seit vielen Jahren die modellunabhängige Datenablage.
Bei dem Thema Datenmodell Kanalisation waren wir in einer UAG zur M145 eigentlich schon relativ weit (auch mit Aggregation). Es gab nur keinen Konsens hierzu.
Ein Punkt war übrigens der Transport von Texteinfügepunkten über eine Schnitsttelle/Datenmodell. Auch das sollten wir berücksichtigen. Andernfalls ist die "Währung" Datenaustauschformat nicht geeignet, einen Plan bei A bei B genauso aussehen zu lassen. Bei ALKIS-XML ist dies ja bereits Bestandteil.
Etwaige individuelle Erweiterungen sind m.E. immer möglich. Gilt für XML und SQL.
Den Weg, ein möglichst flaches und einfaches Datenmodell zu erstellen, ist INSPIRE m.W. ja bereits gegangen. Es ist ja genau unsere Aufgabe, dies zu konkretisieren. Ich habe kein Problem damit, wenn das nicht über ein ideales gemeinsames Datenmodell läuft, sondern über verschiedene fachspezifische Modelle. Kurz: Einfach mal anfangen. Die Grafiken von Herrn Heidebrecht wären übriges sehr hilfreich.
Abschliessend noch eine generelle Anmerkung zum Bedarf von standardisierten Austauschformaten: Den dringensten Bedarf solcher Standards sehe ich derzeit weniger in der Wasserwirtschaft, sondern eher in der Energiewirtschaft mit Bezug auf die kleingliedrigen erneuerbaren Energien. Dies ist das Ergebnis von Gesprächen, die ich mit der Bundesnetzagentur und Energieversorgern geführt habe. Vieleicht wäre die Priorisierung von Themen, welche Wasserkraft betreffen, ein Anknüpfungspunkt für die "Kollegen" aus dem Enenergiesektor bzw. (noch erforderlichen) Koordinierungstellen hierzu.
Bernhard Bock, Kaiserslauten